Police, Pölitz, Pommern

Hydrierwerke Pölitz AG

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Hydrierwerke Pölitz, Police, Pölitz, Pommern, Polen
+ einfache Anreise, Lage, ausgeschildeter Rundgang, Zugang kostenlos, teilweise Informationen auf Deutsch vor Ort, offizielle Website seit Dezember 2023 online
– Führungen nur am Samstag, wenige Informationen vor Ort

Die Hydrierwerke Pölitz AG produzierten von 1940 bis 1945 Flugbenzin, Benzin, Diesel, Schmiermittel, Brenn– und Treibgase, PVC–Kunststoffe, Paraffine und Kunstgummi. Die Kohleverflüssigung benötigte viel Energie und war somit auf den ersten Blick unsinnig, da das Deutsche Reich aber keine Erdölvorkommen hatte war es die Lösung um Kraftstoffe für die Luftwaffe und die Wehrmacht zu produzieren. Ich hatte mir im Juli 2023 die Ruinen der ehemals größten Anlage dieser Art angesehen und hoffe meine Tipps und Hinweise dazu sind hilfreich.

Informationen

Die Hydrierwerke Pölitz AG war ein Gemeinschaftsunternehmen der IG Farben, Royal Dutch Shell und Standard Oil of New Jersey, sie produzierten von 1940 bis 1945 Flugbenzin, Benzin, Diesel, Schmiermittel, Brenn– und Treibgase, PVC–Kunststoffe, Paraffine und Kunstgummi. Die Kohleverflüssigung mit dem Bergius-Pier-Verfahren ermöglicht es die Makromoleküle der Kohle durch Wasserstoff bei hohen Drücken und Temperaturen zu kleineren Molekülen umzuwandeln. Die Hauptprodukte waren synthetische Kraftstoffe, im Jahr 1943 wurden 478 000 Tonnen Flugbenzin und 99 000 Tonnen Benzin produziert, das war die maximale Auslastung. Die ausführliche Zusammenfassung mit den historischen Fakten, technischen Daten, wirtschaftlichen Hintergründen und weiteren Informationen findet man auf einer großen Wikipedia Webseite.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hydrierwerke_Pölitz

Lage

Die Hydrierwerke Pölitz befinden sich östlich von Police, Pölitz in einem reinen Industrie– Gewerbegebiet. Es werden im Umkreis viele alte Grundstücke von Firmen genutzt, ein LIDL Markt befindet sich an der Landstraße 114, das Muzeum Historyczne SKARB ist als Sonderziel in der Open Street Map auf Qwant verzeichnet. Der Ort Police, Pölitz befindet sich circa 55 Kilometer nordöstlich von Stargard.
https://www.qwant.com

Anreise

Hydrierwerke Pölitz, Police, Pölitz, Pommern, Polen, Stowarzyszenie Przyjaciół Ziemi Polickiej „Skarb“, Spółdzielcza 31, 72-010 Police, Pölitz
Hydrierwerke Pölitz, Police, Pommern, Stowarzyszenie Przyjaciół Ziemi Polickiej „Skarb“, Spółdzielcza 31
72-010 Police, Pölitz

Die Anreise geht am einfachsten mit dem Auto oder Motorrad man kann den Ort 72-010 Police, Pölitz und die Straße Spółdzielcza 31 in das Navigationsgerät eingeben. Die Anschrift vom Stowarzyszenie Przyjaciół Ziemi Polickiej „Skarb“ befindet sich nur wenige hundert Meter von den Ruinen entfernt, es gibt kostenlose Parkplätze direkt gegenüber oder entlang der Straße. Das Muzeum Historyczne SKARB wurde 2010 gegründet und hat am Samstag geöffnet. Die neue Website ist seit Dezhember 2023 auf Polnisch verfügbar, vielleicht gibt es in Zukunft auch eine deutschsprachige Version.

Besichtigung

Eine Besichtigung ist täglich möglich, man kann zwei verschiedene Rundgänge wählen, der kurze Lehrpfad 2,7 Kilometer (rot) dauert gut 1,5 Stunden, der längere 4,5 Kilometer (grün) gut 2 Stunden. Eine Karte beim Muzeum Historyczne SKARB kann man von außen jederzeit fotografieren und zur Orientierung mitnehmen. Der grüne Weg ist nur eine Erweiterung vom roten und wenn man die Zeit hat sollte man ihn wählen. Ich bin einmal den roten und bei einem zweiten Besuch den grünen Weg gegangen. Die einzelnen Ruinen liegen an den Wegen, da kann man abzweigen und wieder zurückgehen. Es ist sinnvoll eine lange Hose und feste Schuhe zu tragen.

Information vor Ort

Hydrierwerke Pölitz, Police, Pölitz, Pommern, Polen, Stahlbetonbrücke für Rohrleitungen
Hydrierwerke Pölitz, Police, Pommern, Stahlbetonbrücke für Rohrleitungen

Es gibt eine große Informationstafel mit umfangreichen Text auf Polnisch und Deutsch, die kleinen Informationstafeln an den einzelnen interessanten Objekten sind leider nur auf Polnisch. Diese Bogenbrücke aus Stahlbeton befindet sich am Anfang vom Rundgang, ich vermute das auf der Brücke Rohrleitungen verlegt wurden.

Kraftwerk

Die Anlage hatte einen enormen Bedarf an Strom und auf dem Rundgang kommt man an dem alten Gebäude vorbei, die Stahlbetonkonstruktion ist noch gut erhalten. Das Schild ist zwar auf Polnisch, aber die Maße 165 m Länge, 120 m Breite und 20 bis 30 m Höhe vom „Bau 165“ kann man ohne Sprachkenntnisse lesen. Es sind auch Zeichnungen und Bilder vom Kraftwerk im Bau und im Betrieb zu sehen. Es gab zwei Kraftwerke, eins hatte eine Leistung von 800 Mega Watt und 120 m hohe Schornsteine, das zweite wurde nicht fertiggestellt.

Kohle

Die Kohle wurde mit Schiffen und der Eisenbahn aus Schlesien angeliefert.

Kohlemühle

Hydrierwerke Pölitz, Police, Pölitz, Pommern, Polen, Kohlemühle
Hydrierwerke Pölitz, Police, Pommern, Kohlemühle

Die Kohlemühle ist mit 35 Metern vielleicht das höchste Gebäude welches heute noch erhalten ist. Die polnische Informationstafel war leider mit Graffiti verschmiert und unkenntlich. Die angelieferte Steinkohle wurde in mehreren Schritten gemalen.

Hydrierwerke Pölitz, Police, Pölitz, Pommern, Polen, Kohlemühle Trichter aus Stahlbeton
Hydrierwerke Pölitz, Police, Pommern, Kohlemühle Trichter aus Stahlbeton

Das Skelett der Stahlbetonkonstruktion hat die Bombenangriffe, die Sprengungen, Demontage und die Witterung bisher gut überstanden. Die Trichter aus Beton sind noch zum Großteil erhalten.

Wachturm

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Hydrierwerke Pölitz, Police, Pommern, Wachturm

Der Wachturm ist wie ein Bunker gebaut und hat alle Angriffe überstanden, das polnische Schild beschreibt den Turm ausführlich, eine Zeichnung zeigt auch einen unterirdischen Tunnel. Die Wände sind 1,5 m stark, das Dach hat eine Stärke von 3 Metern.

Zäune

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Hydrierwerke Pölitz, Police, Pommern, Betonpfosten, Zäune, Patrouillenweg

Es gab mehrere Bereiche in dem Werk, diese Betonpfosten markieren den Patrouillenweg der sich zwischen der Anlage, dem Wachturm und außen dem Güterbahnhof befindet. Die Splitterschutzzellen oder auch Ein-Mann Bunker sind in Abständen zu entdecken. Die gesamte Fabrikanlage soll eine Fläche von 200 Hektar gehabt haben, es wurden auf dem mit dem Umland insgesamt 1500 Hektar großen Komplex auch Facharbeiter, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und Insassen aus Konzentrationslagern untergebracht, insgesamt wurden rund 30 000 Personen beschäftigt.

Bahnhof

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Der Bahnhof mit der Lagerhalle ist als solcher noch gut zu erkennen, die Gleisanlagen sowie alles andere was demontiert wurden konnte ist verschwunden. Die Geschichte über die Demontage der Hydrierwerke Pölitz hat auf Wikipedia ein eigenes Kapitel. Die auch die Hydrierwerke Ausschwitz-Monowitz und Magdeburg wurden als Kriegsbeute in der Sowjetunion wieder aufgebaut. Die Produktion wurde erst kurz vor Kriegsende im März / April 1945 eingestellt, selbst mit teilweise zerstörter Anlage konnte noch Kraftstoff für die Wehrmacht produziert werden.

Treibstofftanks

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Hydrierwerke Pölitz, Police, Pommern, Treibstofftanks

Die Treibstofftanks entdeckt man nur wenn man den langen grünen Weg folgt, man sieht die äußere Hülle aus Stahlbeton. Es wurden sogar ganze Ötanks und Leitungen als Attrappen gebaut um Ziele für die Luftangriffe zu bieten die dann keinen Schaden anrichten konnten. Die unterirdischen Tunnel und Anlagen kann man nur erahnen, ich hatte per Zufall einen offenen Schacht auf der Wiese entdeckt. Die rote Armee übernahm das Werk am 26. April 1945 und die sowjetische Besatzung endete im September 1946, danach begann die Demontage die bis Mitte der fünfziger Jahre dauerte.

Treibstoffbedarf Wehrmacht und Luftwaffe

Der Treibstoffbedarf von der Wehrmacht und der Luftwaffe war enorm, Deutschland war auf Importe aus Rumänien, Vereinigten Staaten von Amerika und Russland abhängig. Ein leichter Panzerkampfwagen II mit einem Maybach-Sechszylinder-Ottomotor mit 103 kW Leistung hatte einen Verbrauch von 85 Litern pro 100 km auf der Straße und 130 Liter pro 100 km im Gelände. Die nachfolgenden Modelle waren schwerer, hatten mehr Leistung und verbrauchten ein Vielfaches. Das mit 30 000 gebauten Einheiten Kampfflugzeug Messerschmit Bf 109 / Me 109 mit einen 12-Zylinder-V-Motor Daimler-Benz DB 601 N mit 1020 PS Startleistung verbrauchte im besten Fall circa 75 Liter auf 100 km.
https://de.wikipedia.org/wiki/Panzerkampfwagen_II https://de.wikipedia.org/wiki/Messerschmitt_Bf_109

Polnische Armee

Die polnische Armee nutzte Teile vom Gelände von den sechsziger Jahren bis Anfang der neunziger Jahre, danach war das Areal frei zugänglich.

Führung und Museum

Hydrierwerke Pölitz, Police, Pölitz, Pommern, Polen, Ausstellung / Museum
Hydrierwerke Pölitz, Police, Pommern, Ausstellung / Museum

Die Führung wird am Samstag um 10:00 Uhr angeboten, auf dem Schild vor Ort stand aber noch 13:00 Uhr, ich war um 12:00 Uhr zwar überpünktlich vor Ort aber dann letztlich doch zu spät. Die Frau die diese Führung machte war ganz nett und ich konnte mir noch die Ausstellung im Luftschutzbunker ansehen und hatte am Ende dann 10,– Zloty in die Holzkiste geworfen. Die Ausstellung zeigt Bilder vom Werk, technische oder elektronische Gegenstände wie alte Telefone, elektronische Werkzeuge, allgemeine Gegenstände, Kleidung, Zwangsarbeiter und Dokumente. Die Ausstellung ist auf nur auf Polnisch, deutsche Dokumente von den Hydriewerken Pölitz Aktiengesellschaft wie dieses Arbetiszeugnis mit dem Text:„Zeugnis – Horst Berg, geboren am 4.5.1927 in Rahtsdamnitz, war seit dem 7. April 1941 bis zum 6. April 1944 bei und Betriebsschlosser-Lehrling. Seine Ausbildung erfolgte in der Lehrwerkstatt und in den verschiedenen Abteilungen unseres Betriebes. Wir haben Berg als einen fleißigen und gewissenhaften Jungen kennengelernt, der sich stets mit großem Eifer und Pflichtbewußtsein bemühte, ein guter Facharbeiter zu werden. Deine Führung war tadellos. B. hat die Facharbeiterprüfung vor der Gauwirtschaftskammer mit gutem Erfolg abgelegt. Wir wünschen ihm für seine Zukunft alles Gute. Stettin-Pölitz, den 19. April 1944 “

Kontakt


Telefon +48 508 825 665
e–mail skarb@police.pl oder wycieczki.skarb@gmail.com

Adresse

SPZP Skrab
Spółdzielcza 31
72-010 Police, Pölitz, Pommern
Polen

Internet

https://www.skarbpolice.pl

Fazit

Die Hydrierwerke Pölitz sind auch nach über 80 Jahren, nach Bombardierungen der Allierten, nach Demontagen der Russen und Polen und nach der Verrottung in der Nachkriegszeit immer noch beeindurckend. Die Technik aus Kohle mit Hilfe von Wasserstoff, hohen Druck und hohen Temperaturen flüssige Kraftstoffe herzustellen beeindruckt mich persönlich ebenso. Ein Besuch kann ich jedem der sich für solche Industrieanlagen interessiert nur empfehlen, auf meinen beiden Rundgängen hatte ich nie jemanden getroffen, das trug zur Atmosphäre noch bei. Ich würde empfehlen die geführte Tour mitzumachen auch wenn sie auf polnisch ist, die Führer kennen garantiert noch ein paar Geheimnisse und versteckte Eingänge die man selbst nicht sieht.